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Eine Frau vor einer Bildergalerie.
28.11.2023

„Integrität ist der Schlüssel, warum Menschen vertrauen“

Vertrauen Menschen beruflich in Südostasien anders als Deutsche oder Amerikaner? Die Managementprofessorin Tan Hwee Hoon aus Singapur hat weltweit Daten gesammelt. Sie stieß auf eine Überraschung.

Frau Tan Hwee Hoon, was ist das eigentlich – Vertrauen?

Tan: Es ist die Bereitschaft, verletzlich zu sein. Wenn ich Ihnen vertraue, dann öffne ich mich dafür, verletzt zu werden. Je stärker ich Ihnen vertraue, desto mehr. So definiert es zumindest eine der Denkschulen. Die andere beschreibt Vertrauen als Zuversicht, als positive Erwartung. Ich vertraue jemandem, weil ich mir aus seinem früheren Verhalten ein Urteil gebildet habe.

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Tan Hwee Hoon

Die Professorin an der Lee Kong Chian School of Business hat einen Forschungsschwerpunkt auf Organisational Behaviour und Human Resources. Sie beschäftigt sich außerdem mit den Feldern Innovation und BWL. Tan legte ihren Doktortitel in Managementstudien an der Purdue University in Singapur ab. Seit den 1990er Jahren beschäftigt sie sich mit den Themen Vertrauen im Arbeitsalltag und im interkulturellen Managementkontext.

Warum tun Menschen das, und wie vertrauen sie einander im Beruf?

Tan: Die Forschung bricht das auf drei Gründe herunter, und die können unterschiedlich ausgeprägt sein. Wir nennen es das ABI-Modell. A, das steht für „Ability“, also die Fähigkeiten des anderen: Ich vertraue Ihnen, weil Sie gut in Ihrem Arbeitsfeld sind. B repräsentiert „Benevolence“, das Wohlwollen: Ich kenne Sie und ich glaube, dass Sie das Beste für mich im Sinn haben, also vertraue ich Ihnen. Und I steht für Integrität: Ich vertraue, weil ich überzeugt bin, dass Sie ein Mensch sind, der zu seinem Wort steht, zuverlässig ist und Werte vertritt.

Vertraut man in Asien anders als zum Beispiel in den USA?

Tan: Das war die Erkenntnis der ersten internationalen Studien. Anfangs kamen die Wissenschaftler, die sich mit dem Thema beschäftigten, aus Nordamerika. Als wir dann begonnen haben, auch in Asien Daten zu erheben, bekamen wir teilweise völlig andere Rückmeldungen und Ergebnisse. Unsere Interviews deuteten darauf hin, dass Wohlwollen eine größere Rolle spielt – insbesondere in China, Singapur, Indien und in der Türkei.

Warum könnte das so sein?

Tan: Wir wissen, dass in Asien das Gruppengefühl stärker ausgeprägt ist. Man sieht sich selbst als Teil einer Gemeinschaft. In Ländern wie Deutschland sind Dinge wie die eigene Identität wichtiger. Dort zählt, was du beruflich kannst und im Job leistest, also „Ability“. In Asien legt man mehr Wert auf persönliche Beziehungen. Mitarbeitende haben einen stärkeren Fokus darauf, ob Kollegen oder Vorgesetzte sich für dich interessieren. Sind diese Personen für mich da, wenn ich Probleme habe? Deswegen ist dort auch die Chance größer, dass Mitarbeitende einem Vorgesetzten folgen, wenn er das Unternehmen wechselt.

Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, „Vertrauen“ zu untersuchen?

Tan: Ich habe Mitte der 1990er Jahre meinen Doktortitel in den USA erlangt, und genau während dieser Zeit forschte ein Professor namens David Schoorman an dem Thema. Ihm war aufgefallen, dass wir bis dahin gar nicht wussten, was eigentlich dazu führt, dass Menschen sich vertrauen. Das Themenfeld ist also vergleichsweise neu. Ich war als Studentin am Rande an den Studien beteiligt. Als ich zurück nach Singapur kam, habe ich begonnen, zusammen mit einer Kollegin aus der Türkei zu anderen Ländern zu forschen.

Wieso ist das vorher niemandem in den Sinn gekommen?

Tan: Wissen Sie, das Feld der interkulturellen Studien ist nicht immer systematisch. Forschende vergleichen Daten aus verschiedenen Ländern, aber deutlich seltener gibt es einen wirklich umfassenden globalen Überblick: Welche Länder ähneln sich? Wir wollten das übergreifend angehen und haben über vier Jahre hinweg Daten aus 20 verschiedenen Ländern erhoben, mithilfe eines Forschungsstipendiums der US Air Force. Es ist die bislang größte und umfassendste Studie, und sie ist „quantitativ“, sie beruht also nicht auf ausführlichen Interviews, sondern sie liefert uns messbare und vergleichbare Datensätze.

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Zur Produktivität haben wir recht klare Daten. Mitarbeitende, die ihrem Unternehmen vertrauen, sind produktiver.

Und das Ergebnis?

Tan: Nun, das Spannende und Überraschende ist: Unsere Ergebnisse aus den verschiedenen Ländern waren verblüffend ähnlich. In 19 dieser 20 Länder war Integrität der wichtigste Faktor. Wenn ich einer anderen Person eine geringe Integrität unterstelle, nützen auch hohe andere Faktoren nichts – dann vertraue ich ihr am wenigsten. Das scheint universell. Ich gestehe, wir hatten da deutlich größere Differenzen erwartet. Der I-Faktor ist Trumpf, Integrität ist der Schlüssel. Ein interessanter Nebenfund allerdings war, dass weltweit Frauen etwas weniger vertrauensselig sind. Sie brauchen mehr Überzeugung und verwenden mehr Energie darauf, Dinge zu verstehen. Männer vertrauen schneller.

Was muss ich beachten, wenn ich als westlich geprägter Manager Vertrauen bei südostasiatischen Mitarbeitenden oder Kunden erwecken will?

Tan: Asiaten sind wie gesagt gruppenorientierter. Es ist in Asien sehr wichtig, als Teil der „Ingroup“, der Eigengruppe, gesehen zu werden. Wenn Sie von jemandem aus der Ingroup vorgestellt werden, fördert das Vertrauen. Der gute Ruf ist sozusagen ansteckend. Wer in Südostasien arbeitet, sollte Wege finden, in die Ingroup der Menschen zu gelangen. Sie müssen zeigen, dass Sie das Beste für den anderen im Sinn haben, dass Sie ernsthaft an einer guten Beziehung interessiert sind. Ich sage allerdings offen: Mein Problem an dieser Stelle ist, dass unsere neuesten Studiendaten diese Erkenntnis nicht so deutlich beweisen können wie erhofft.

Lässt sich beweisen, dass Vertrauen einen direkten finanziellen Einfluss hat? Dass es zur Produktivität und Zufriedenheit von Mitarbeitenden beiträgt?

Tan: Zur Produktivität haben wir da recht klare Daten, ja. Mitarbeitende, die ihrem Unternehmen vertrauen, sind produktiver. Zufriedenheit ist etwas schwieriger zu messen, aber wir können aus den Daten zumindest ablesen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Vertrauen und der Zufriedenheit im Job. Das führt dann auch zu Extremfällen: Während meiner Interviews im indischen Hyderabad habe ich mit Beschäftigten einer Firma gesprochen, die stark in der Krise steckte. Der Börsenkurs war im freien Fall – aber die Mitarbeitenden haben der Geschäftsführung trotzdem vertraut. Und am Ende stellte sich heraus: Das Management hatte tatsächlich Betrug begangen.

Gibt es Unterschiede innerhalb asiatischer oder südostasiatischer Staaten?

Tan: Wir können aus früheren Studien zeigen, dass man in Singapur offenbar stärker auf die beruflichen Fähigkeiten achtet, also auf „Ability“, als zum Beispiel in China. Wir sind da westlicher geprägt. Wir hatten schon sehr früh internationale Konzerne im Land, das hat unsere Managementkultur sicherlich beeinflusst.

Und das unterscheidet Singapur auch von anderen Ländern in der Region wie Vietnam?

Tan: Mein Eindruck ist, dass Vietnamesen generell viel langsamer vertrauen. Und dass es selbst für uns in Singapur schwierig ist, ihr Vertrauen richtig zu interpretieren. Das sage ich aber jetzt als Wissenschaftlerin betont aus rein anekdotischer Evidenz. Ich hatte viele Studierende aus Vietnam, von denen ich gelernt habe, dass ein „Ja“ nicht bedeutet, dass sie dir zustimmen. Es kann auch „Ja, aber“ heißen.

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Wenn Sie von jemandem aus der Ingroup vorgestellt werden, fördert das Vertrauen. Der gute Ruf ist sozusagen ansteckend.

Vertrauen drückt sich kulturell unterschiedlich aus?

Tan: Auf jeden Fall. Aus unseren qualitativen Interviews wissen wir, dass es zum Beispiel auch deutliche Unterschiede gibt, ob man berufliches und privates Vertrauen verknüpft. Wer dir in der Türkei oder in Indien privat vertraut, der erstreckt dieses Vertrauen direkt auch auf den beruflichen Kontext. In Deutschland oder Neuseeland ist das nicht unbedingt der Fall: Ich kann Ihnen im Job vertrauen, aber nicht persönlich, oder umgekehrt.

Da sind wir wieder bei der „Ingroup“, die im asiatischen Kontext so wichtig ist?

Tan: Ja, ich gebe ein Beispiel. Ich hatte ein Gespräch mit einem singapurischen Geschäftsmann und habe ihn gefragt, wie er zu der Entscheidung kommt, einem bestimmten Mitarbeiter zu vertrauen. Und er sagte mir, er sei zum chinesischen Neujahrsfest, dem wichtigsten Feiertag des Jahres, bei dessen Familie zu Hause gewesen und habe darauf geachtet, ob dieser Mann respektvoll mit seinen Eltern umgeht. In Asien ein sehr wichtiger Wert, Respekt gegenüber den Eltern – aber man darf natürlich fragen: Was hat das damit zu tun, ob ich dieser Person vertraue, dass sie einen guten Job macht? In unserer Region verschmelzen die private und die berufliche Person. In den USA hingegen besteht da eine viel deutlichere Trennung zwischen Privatem und Beruflichem.

Vertraut man in Südostasien mehr?

Tan: Nicht unbedingt. Wenn ich hier Menschen das Modell skizziert habe, dass man umso verwundbarer sei, je mehr man vertraut beziehungsweise je weniger man überwacht, dann erwiderten manche: Egal wie hoch mein Vertrauen ist, ich prüfe trotzdem. Es geht niemals ohne Kontrolle.

Die Deutschen haben ein Sprichwort: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Tan: (lacht) Ja, das trifft es! Niemand vertraut komplett. Man vertraut immer nur bis zu einem gewissen Punkt. Oder in bestimmten Bereichen, aber nicht in anderen.


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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