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Illustration eines Schuhabdruckes und dem Schriftzug CO2.
30.08.2022

„Müll ist eine Rohstoffmine"

Ein Schlüsselerlebnis in den 1970er Jahren brachte Terry Tamminen dazu, sich dem Umwelt- und Klimaschutz zu verschreiben. Der US-Amerikaner war die treibende Kraft hinter Arnold Schwarzeneggers Umweltagenda in Kalifornien und er berät die sich regionalem Klimaschutz widmende Initiative R20 Regions of Climate Action. Das bereits im Jahr 2018 geführte Interview ist in mancherlei Hinsicht noch heute hochaktuell. Etwa wenn Tamminen über den Wasserstoffantrieb, energieeffiziente Produktion und das Einsparpotenzial spricht, das in Mülldeponien schlummert.

Anmerkung: Das Interview erschien erstmals im Mai 2018 im ESSENTIAL-Magazin von Freudenberg Sealing Technologies


Herr Tamminen, der Guardian setzte Sie in seiner Liste „ Top 50 People Who Can Save the Planet“ auf Platz 1. Wie fühlt man sich als Weltretter?

Herr Tamminen: Es war ein schönes Gefühl, auf der Liste zu stehen. Aber genau genommen benötigt die Erde keine Rettung. Es geht ja vielmehr um das Leben auf der Erde. 99 Prozent der Tiere und Pflanzen waren bereits vor der industriellen Revolution auf natürliche Art und Weise ausgestorben. Seither hat sich durch den Menschen das Aussterben allerdings extrem beschleunigt, und zwar um das Tausendfache. Wenn wir unser Verhalten nicht ändern, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis wir an der Reihe sind.

Was müssen wir ändern?

Wir müssen langfristig denken und planen. Sobald es um den Umweltschutz geht, spricht das zumeist nur unser Kurzzeitgedächtnis an.

Sie sind bekannt dafür, nachhaltig zu planen. Gab es ein Aha-Erlebnis, das Sie dazu bewog, sich dem Umwelt- und Klimaschutz zu verschreiben?

Es gab zwei Schlüsselmomente. Ich bin 1952 geboren und als ich zwölf Jahre alt war, begann ich vor Los Angeles mit dem Sporttauchen. Der Ozean mit seinen Tieren und Pflanzen hat mich fasziniert und begeistert. Danach zogen wir nach Australien, und als ich zehn Jahre später zurückkehrte, hatte die Umweltverschmutzung die Flora und Fauna meines Tauchreviers zerstört. Das hat mich schockiert und mir die Augen geöffnet, wie schnell sich Umweltverschmutzung auswirkt. Der zweite Schlüsselmoment war, als ich auf Arnold Schwarzenegger traf. Ich lernte ihn als aufrichtigen Umweltschützer kennen. Als er dann mit Kalifornien die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt regierte, ergriff er die Gelegenheit, etwas für den Umwelt- und Klimaschutz zu tun.

18-info

Terry Tamminen

Der US-Amerikaner (Jahrgang 1952) wuchs zeitweise in Australien auf, wo seine Familie eine Aufzuchtstation für tropische Fische betrieb. In seinem Berufsleben widmete er sich gemeinnützigen Themen, insbesondere dem Umweltschutz. Arnold Schwarzenegger berief ihn als Gouverneur von Kalifornien zu seinem Umweltberater. 2010 war Tamminen Mitbegründer der R20-Initiative, die hilft, den Klimaschutz auf regionaler und lokaler Ebene zu fördern. Zudem war er einige Jahre CEO der Leonardo-DiCaprio-Stiftung.

Er berief Sie während seiner Zeit als Gouverneur zum Berater in Umweltfragen. Was waren die Stellhebel, an denen sie ansetzten?

Wir hatten aufgrund unserer Gesetzgebung die Chance, wie ein eigenständiger Staat zu agieren. Wir haben zahlreiche Gesetze erlassen, allen voran den Global Warming Solutions Act. Damit konnten wir ein umfangreiches Programm aufsetzen, das es uns erlaubt hat, die Reduzierung der Treibhausgase entschlossen anzugehen. Mit der Million Solar Roofs-Initiative haben wir die Installation von Solarzellen gefördert. Zudem haben wir ein Netz von Wasserstofftankstellen geschaffen, um die Elektromobilität zu fördern. Kalifornien wurde zu einem Vorreiter in Sachen Umweltschutz.

Sie waren zudem CEO der Leonardo DiCaprio Foundation, die sich unter anderem stark für Umweltbelange einsetzt. Was zeichnet DiCaprio und Arnold Schwarzenegger aus?

Leonardo ist ein glühender Verfechter des Klima- und Umweltschutzes. Er setzt sich stark mit dem Thema auseinander und bereist die ganze Welt, um vor Ort unmittelbare Eindrücke zu sammeln. Er und Arnold wissen, wovon sie reden. Arnold hat seine Position als Gouverneur genutzt, um Umweltthemen voranzubringen. Er hat damit viele erst dafür sensibilisiert und er tut dies wie Leonardo bis heute.

Pariser Abkommen: Laut Tamminen nahm in den USA die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Klimakonferenz von Paris zu.

Sie stärken mit der R20-Initiative regionale Projekte zum Umweltschutz. Ist es vielversprechender, die Lösung eines globalen Problems im Kleinen anzugehen, als auf nationale oder internationale Agenden zu setzen?

Beide Ansätze sind wichtig. Unsere Politik in Kalifornien basierte auf dem Kyotoprotokoll von 1997 mit seinen klimaschutzrechtlichen Zielsetzungen. Wenn es diese internationale Agenda nicht gegeben hätte, hätten wir unsere Politik niemals so entschlossen durchführen können. Nur so konnten wir zu einem Treiber werden. Viele meiner Landsleute haben sich – nicht zuletzt aufgrund der verschiedenen politischen Agenden in unserem Land – in den letzten Jahren mit dem Pariser Abkommen befasst. Viele haben gemerkt, dass beim Umweltschutz noch viel zu tun ist und haben sich mobilisieren lassen. Auch Unternehmen merken, dass sie vom Umweltschutz profitieren können.

Inwiefern?

Sie erkennen, dass sie dank energieeffizienter Produktion Kosten sparen können. Zudem lohnt es sich für Firmen aufgrund des Emissionshandels weg von Kohle und Öl hin zu nachhaltigen Energien zu wechseln. Ich bin deshalb überzeugt, dass das Messen der CO2-Emissionen positive Möglichkeiten eröffnet. Vom Emissionshandel profitieren umweltbewusste Unternehmen. Und die, die noch nicht so weit sind, tragen durch den Handel ihren Teil zum Umweltschutz bei und lassen sich dazu bewegen, in ihn zu investieren.

Benötigt der Mensch eigentlich die Erkenntnis, dass sich mit Umweltschutz Geld sparen oder verdienen lässt, um daran mitzuwirken?

Es ist nicht der einzige Beweggrund, aber es ist einer, der jeden anspricht. In den USA könnten wir allerdings noch viel weiter sein, inklusive all der positiven Nebeneffekte. Würden wir etwa die Millionen von Straßenlaternen, die noch auf alter Technologie basieren, durch energiesparende LED-Lampen ersetzen, dann würden sich diese Investitionen schon innerhalb weniger Jahre amortisiert haben. Zudem wäre es eine Art Konjunkturprogramm, denn es brächte Arbeitsplätze.

Welche Innovationen haben für Sie das Potenzial, den Klimaschutz entscheidend nach vorne zu bringen?

Zuallererst die Wasserstofftechnologie (Hydrogen Fuel Cells). Wenn Wasserstoff durch Elektrolyse aus Wind- oder Sonnenenergie gewonnen wird, dann ist er eine völlig emissionsfreie Ressource. Daneben lässt er sich gut speichern und steht bei Bedarf wieder als Energielieferant zur Verfügung. Viele Automobilhersteller bieten Brennstoffzellenmodelle an und denken weiter in diese Richtung. Daneben halte ich Smart Grid für eine tolle Errungenschaft. Sie können sich am anderen Ende der Welt aufhalten und dennoch über ihr Smartphone die Wärme in ihrem Haus regulieren. So lässt sich der Energieverbrauch in den eigenen vier Wänden bequem kontrollieren, und man spart Geld.

China setzt inzwischen stärkere Akzente in Richtung Umwelt- und Klimaschutz. Ist China für Sie ein neuer Hoffnungsträger?

So neu ist China als Hoffnungsträger gar nicht. Vielleicht erkennen wir aber erst jetzt eine schon länger andauernde Entwicklung. China hat die USA bei der Windenergie überflügelt. China ist schon lange der größte Hersteller von Solarzellen, wovon die USA als Abnehmer günstiger Angebote profitiert haben. Zudem ist China bei seinen neuen Kohlekraftwerken wesentlich sauberer und damit fortschrittlicher als die USA. China geht also schon seit Längerem mit gutem Beispiel voran.

Illustration eines Müllabfuhrautos aus dem ein Greifarm Müll auf ein Fließband legt mit einem Recycling Symbol darauf.

China propagiert die Elektromobilität. Ist E-Mobilität eine der zentralen Antworten, um CO2-Emissionen nennenswert und effizient zu reduzieren?

Absolut. Ölprodukte sind nicht nur Umweltverschmutzer, für Öl werden auch immer tiefere und riskantere Bohrungen vorgenommen. Zudem muss das Öl enorme Strecken zurücklegen, bis es zu den Zielmärkten gelangt. Demgegenüber ist Elektromobilität eine fantastische Alternative. Benzin verpufft nur und ist dann weg. Dahingegen punktet der Elektromotor beständig durch Innovationen und verbesserte Recyclingmethoden. Selbst die für ihn benötigten seltenen Erden werden mittlerweile deutlich weniger verbaut als noch vor ein paar Jahren.

Sie fahren selbst ein mit Wasserstoff betriebenes Auto. Was ist für sie der Vorteil einer Brennstoffzelle gegenüber einem batterie­betriebenen Auto?

Ich bin ein großer Fan des Wasserstoffantriebs. Er mag keinen guten Ruf haben, weil viele denken, der Wasserstoff werde in der Brennstoffzelle verbrannt, aber das ist natürlich falsch, denn er wird in Elektrizität umgewandelt. Der Vorteil von Wasserstoffautos ist, dass sie den heutigen Gewohnheiten der Verbraucherinnen und Verbraucher sehr nahekommen. Du betankst dein Auto wie beim Verbrennungsmotor, und fünf bis zehn Minuten später bist du schon wieder unterwegs. Das macht ihn attraktiv.

Eindrucksvolles Schlüsselerlebnis: Als Jugendlicher tauchte Tamminen im Pazifik vor Los Angeles. Als er zehn Jahre später aus Australien in seine Heimat zurückkehrte, hatte Umweltverschmutzung die Flora und Fauna seines Tauchreviers zerstört.

Ein massives Problem vor allem der westlichen Gesellschaften sind die enormen Müllmengen. Ihre Vision lautet, aus Mülldeponien Rohstoffminen zu machen. Wie soll das funktionieren?

Dieses Thema begeistert mich wirklich sehr. Ich bin überzeugt, dass wir in einigen Jahren Rohstoffe aus unseren Mülldeponien fördern werden. Es ist völlig unverständlich, wie manche Länder bis heute mit Müll umgehen. In ihm liegen so viele Chancen vor der eigenen Haustüre. Es ist wirklich verrückt, dass wir Gegenstände nur kurz nutzen, sie dann wegschmeißen, nur um die darin enthaltenen Rohstoffe wieder mühsam von anderswoher zu besorgen. Rohstoffe aus Mülldeponien wiederzugewinnen bietet enormes Einsparpotenzial und schafft Arbeitsplätze vor Ort. Das müssen die Länder, Regionen und Kommunen verstehen. Müll sollte nicht als Belastung empfunden werden, sondern als Rohstoffmine.

Erleichtert die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung von Industrie und Gesellschaft ihr Klimaschutzanliegen?

Ja. Ich glaube, dass in beiden eine Lösung des Problems liegen kann. Sie machen Dinge effizienter. Paketdienste in den USA nutzen sie, um ihre Fahrer bestmöglich zu navigieren. So sparen die Unternehmen Zeit, der Kunde erhält seine Ware schneller, und das Ganze senkt den Spritverbrauch. Walmart hat sich so gut vernetzt, dass sie es bestmöglich vermeiden, leere Lkws auf die Straße zu schicken. Und Kalifornien hat seine Mülleimer mit Sensoren ausgestattet, die der Müllabfuhr signalisieren, welche zu leeren sind. Die Effizienz ist nicht von der Hand zu weisen.

Wenn wir einen Blick ins Jahr 2050 wagen: Wie werden sich Klimaschutz, Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum zueinander verhalten?

Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann werden wir im Jahr 2050 nicht in der Lage sein, zehn Milliarden Menschen zu ernähren. Durch den Klimawandel werden Krankheiten und Wetterkapriolen immer gravierender. In den USA können wir den Opfern von Unwettern gut helfen, in Ländern wie Bangladesch nicht. Bei solchen Aussichten muss jedem klar sein, dass die Menschheit nichts zu verschwenden hat. Es ist unglaublich, wie viele Nahrungsmittel wir produzieren und dann wieder wegwerfen. Wir müssen unsere Verbrauchsgewohnheiten ändern und lernen, unseren Müll zu reduzieren. Daneben muss die Landwirtschaft effizienter werden, und wir müssen uns womöglich damit auseinandersetzen, dass Menschen in Dürregebieten nicht mehr länger überleben können.

Es ist also jetzt an der Zeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Absolut. Für mich ist es wichtig, dass die Menschen den Ernst der Lage erkennen. Wir kennen den Klimawandel schon seit vielen Jahren. Wir haben kaum noch Zeit, um effektiv reagieren zu können. Jedem muss bewusst sein, dass er etwas an seiner Einstellung ändern muss. Das betrifft auch Regierungen und Unternehmen. Sucht nicht nach neuen Rohstoffquellen. Durchforstet eure Mülldeponien. Kümmert euch um euren ökologischen Fußabdruck. Seht zu, dass ihr das CO2 aus euren Produkten kriegt. Wie das geht, habe ich in meinem Buch Cracking the Carbon Code beschrieben. Dieses für mich unerlässliche Umdenken wird sich in zweierlei Hinsicht lohnen: finanziell und ökologisch.


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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