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Neue Gezeiten in Südkorea
In Sachen Großindustrie und Hightech hat Südkorea längst eine global führende Position eingenommen. Inzwischen lenkt das Land den Fokus auf erneuerbare Energien, und ein gewaltiges Gezeitenkraftwerk ist dabei erst der Anfang.
Er könnte auch in Shanghai, Hongkong oder Dubai stehen, doch der futuristische Turm mit der runden Kanzel thront über der Bucht von Gyeonggi an der Westküste Südkoreas und wacht über das derzeit größte Gezeitenkraftwerk der Welt. Die Rahmenbedingungen in der Region sind beinahe so ideal wie in der Bretagne, wo in den 1960er Jahren bei Saint-Malo das nunmehr zweitgrößte Gezeitenkraftwerk entstand. Ursprünglich war Sihwa Ho als Regierungsprojekt zur Landgewinnung und als Süßwasserreservoir geplant, das sich jedoch als ökologischer Fehlschlag erwies. Die künstliche Lagune verschlammte in den 1990ern zusehends und die Wasserqualität verschlechterte sich durch die massive Einleitung von Abwässern aller Art immer mehr. Aus der Notwendigkeit, für regelmäßigen Wasseraustausch zwischen der künstlichen Lagune und dem offenen Meer zu sorgen, entstand dann der Plan für ein Gezeitenkraftwerk, dessen Umsetzung im Jahr 2003 begann. Die Eckdaten sind beeindruckend: Der Tidenhub entlang des 12,7 Kilometer langen Staudamms beträgt bis zu acht Meter. Die jährlich erzeugte Elektrizität des Kraftwerks liegt bei 550 Gigawattstunden, was ausreicht, um den Stromverbrauch einer Großstadt zu decken.
Schubumkehr beim Treibhausgas
Was den Stellenwert erneuerbarer Energien in Südkorea anbetrifft, so besteht trotz des Gezeitenkraftwerks Sihwa Ho noch Nachholbedarf. Schon lange sei Südkorea ein „Vorkämpfer bei der Formulierung ehrgeiziger grüner Wachstumsziele“ gewesen, resümierte OECD-Umweltdirektor Simon Upton im März 2017, doch nun müsse das Land „auch seine Vision in die Tat umsetzen.“ Im Zeitraum von 2000 bis 2013 waren mit dem Wirtschaftswachstum vor allem die Emissionen der Treibhausgase gestiegen, und zwar um 39 Prozent – der zweithöchste Wert aller OECD-Staaten. Womöglich von den OECD-Zahlen inspiriert, hat Präsident Moon Jae-in gleich nach seinem Amtsantritt im Mai 2017 erste Maßnahmen folgen lassen, indem er steuerliche Anreize für Kohle- und Atomstrom abschaffte, den Ausstieg aus der Atomkraft ankündigte und die Förderung von Erdgas und erneuerbaren Energien gezielt vorantrieb.
Bisher deckt der Tigerstaat Südkorea noch rund 70 Prozent seines wachsenden Strombedarfs mit Kohle und Atomstrom. Erneuerbare Quellen machen rund sechs Prozent aus, ihr Anteil soll bis 2030 auf zwanzig Prozent ansteigen. Hierbei wird sowohl auf dem Festland wie auch auf See die Windkraft eine entscheidende Rolle spielen. Den Bau des größten Offshore-Windparks der Welt mit einer Nennleistung von 2,5 Gigawatt hatte die vorige Regierung bereits mehrfach angekündigt. Im Jahr 2016 ging die erste koreanische Offshore-Anlage mit deutlich bescheideneren Kennzahlen von 30 Megawatt ans Netz. Spätestens im Jahr 2022 soll dieser Testwindpark aus insgesamt sechs Anlagen bestehen, um die 600.000 Einwohner der angrenzenden Jeju-Provinz mit CO2-freier Elektrizität zu versorgen.
Grüne Technologie mit Eigengewächsen
Internationale Experten bescheinigen Südkorea den Willen und das Potenzial, in den Bereichen Wissenschaft und Forschung „vom Fast Follower zum Top Player“ zu werden. Zu dieser Einschätzung passt die Tendenz, im Energiebereich verstärkt eigene Entwicklungskapazitäten zu nutzen und weiter zu entwickeln. Nicht nur die Offshore-Windparks werden zu großen Teilen von einheimischen Herstellern realisiert, auch bei der für moderne Stromnetze so wichtigen Speichertechnologie mischen südkoreanische Unternehmen mit. So hat ein Produzent für einen großen Stromversorger Speicheranlagen mit einer Leistung von 56 Megawatt installiert, die im Lauf der nächsten Jahre auf bis zu 500 Megawatt ausgebaut werden sollen. Mit den stets verfügbaren Energiespeichern will man bei der Netzstabilisierung künftig auf den Einsatz fossiler Brennstoffe ganz verzichten. Auf diese Weise will Südkorea einen weiteren spürbaren Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung seiner ambitionierten Klimastrategie leisten.
Die Nachfrage nach Lösungen aus erneuerbaren Energien, von der Windkraft bis zur Solartechnik, wird mehr und mehr zu einem alles entscheidenden Entwicklungstreiber.
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