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Porträt von Dr Nakumara vor einem schwarzen Hintergrund mit Lichtstreifen im Hintergrund. Copyright: David Strick; Redux; laif
06.12.2022

„Vertrau deiner eigenen Kreativität!“

Über drei Jahrzehnte galt es als unmöglich, blaue Leuchtdioden zu entwickeln. Dann gelang 1993 einem japanischen Ingenieur der Durchbruch – weil er auf einen Werkstoff setzte, den alle anderen abgeschrieben hatten. Ein Interview mit Physik-Nobelpreisträger Shuji Nakamura über die Grenzen von Forschung, Feuer im Labor und über Licht, das die Welt verändert.

Herr Nakamura, Ihre Karriere startete eigentlich etwas ungewöhnlich…

Herr Nakamura: Sie meinen, weil ich als Elektroingenieur 1979 frisch von der Universität bei einem Chemieunternehmen begann?

Ja. Nichia stellte Phosphor her. Keine direkte Verbindung zur Elektronik.

Das Unternehmen suchte nach neuen Märkten. Eine Idee war, Phosphor zu nutzen, um Galliumphosphid herzustellen, ein Halbleitermaterial für rote Leuchtdioden. Das war mein Auftrag. Immerhin, mit Verbindungshalbleitern hatte ich während meines Studiums schon gearbeitet.

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Shuji Nakamura

Geboren 1954. Nach seinem Elektroingenieur-Studium arbeitet er für die damals kleine Firma Nichia (heute einer der weltgrößten Hersteller von LEDs). Er entwickelt die erste helle Galliumnitrid-Leuchtdiode und erhält 1994 von der Universität Tokushima seinen Doktortitel. Weitere Forschungserfolge sind eine Indium-Galliumnitrid-LED sowie ein blauer Laser. 2001 verklagt er Nichia dafür, dass die Firma ihn unzureichend an den Forschungserfolgen beteiligt hat (umgerechnet etwa 150 Euro Prämie). Beide Parteien einigen sich am Ende auf sechs Millionen Euro – die bis dato höchste in Japan gezahlte Prämie. Heute besitzt Nakamura die US-Staatsbürgerschaft. 2014 erhält er gemeinsam mit Isamu Akasaki und Hiroshi Amano den Physik-Nobelpreis für seine LED-Forschung.

Trotzdem waren Sie eigentlich kein Materialentwickler.

Ich musste mir beibringen, wie man Kristalle aus Gallium und Phosphat züchtet. Dazu müssen die Stoffe bis über 1.000 Grad Celsius erhitzt werden. Nun müssen Sie sich vorstellen, mein Büro war etwa zehn Quadratmeter groß – und Phosphor ist ein explosives Material. Wenn man es zu sehr erhitzt und es mit Sauerstoff reagiert, haben Sie eine Explosion und Flammen, die zur Decke schlagen. Das brennende Phosphor fliegt in alle Richtungen. Das geschah dann etwa einmal im Monat.

Experimentieren: Für Fortschritt muss man all das ignorieren, was scheinbar feststeht, und kreativ werden.

Wie bitte?

Ja, so gegen fünf Uhr nachmittags, wenn die Kollegen auf dem Weg zum Parkplatz waren, hatte die Temperatur 1.100 Grad Celsius erreicht. Wenn dann die Stoffe explodierten und ich das Feuer mit Wasser löschte, entstanden beeindruckende Rauchwolken. Anfangs kamen Angestellte herein und fragten mich, ob alles in Ordnung sei. Tatsächlich habe ich mich nie dabei verletzt.

Mit Verlaub, das klingt aus heutiger Sicht bizarr.

Nun, wir waren ein Unternehmen auf dem Land. Mitten in Tokio wäre das so nicht möglich gewesen. Ein Problem bestand darin, dass ich für den Prozess Reagenzgläser aus Quarz benötigte. Die, die wir hatten, waren offen, also musste ich sie selbst verschweißen. Je besser ich all diese Prozesse beherrschte, desto weniger Explosionen gab es.

Innerhalb von nur drei Jahren erreicht Shuji Nakamura die Massenproduktion von Galliumphosphid. Aber der Markt reagiert verhalten, weil das Unternehmen klein ist. Also entwickelt der Vertrieb eine neue Idee: Wenn man bereits die Technik für die Halbleitermaterialien beherrscht, warum nicht direkt rote Leuchtdioden produzieren? Nakamura bringt sich die erforderlichen Schritte bei. Und er fasst einen Entschluss: Er will mehr. Er will die blaue LED erfinden.

Ihr Durchbruch zur blauen LED begann mit einer gewagten Entscheidung: Sie wählten Galliumnitrid als Halbleitermaterial.

Das hatte einen ganz einfachen Grund. Ich wollte endlich meinen Doktortitel machen. In Japan müssen Sie dazu Forschungsergebnisse veröffentlichen. Und ich dachte mir, zu Zinkselenid sind schon Hunderte Papiere geschrieben – das war das Halbleitermaterial, von dem sich jeder den Durchbruch erhoffte. Zu Galliumnitrid aber gab es fast gar nichts. Da konnte ich experimentieren und neue Forschung leisten.

Es ist schwer, sich der Anziehungskraft von Shuji Nakamura zu entziehen. Er ist auf vornehme Art zurückhaltend und bescheiden, gleichzeitig zugewandt und einnehmend. Was er hier fast als Zufall abtut, entsprach einer Serie an Fortschritten in der Materialentwicklung, die Nakamura mit Beharrlichkeit und Kreativität löste – sodass er plötzlich Forschungsabteilungen und Universitäten um Jahre voraus war.

Wenn Sie Kristallschichten für eine Leuchtdiode herstellen wollen, benötigen Sie eine MOCVD, eine sehr teure Maschine, mit der ich mich aber nicht auskannte. Unser Plan war, dass ich ein Jahr an der Universität Florida verbringe und mich dort in die Technologie einarbeite. Stattdessen verbrachte ich zehn Monate damit, eine neu gelieferte Maschine zusammenbauen zu müssen.

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Forschung bedeutet immer Rückschlag. Wenn Sie vorankommen wollen, müssen Sie experimentieren.

Das war nicht der Plan...

Nein, aber ich entwickelte so ein sehr grundlegendes Verständnis der MOCVD-Technologie. Als ich anfing, mit Galliumnitrid zu experimentieren, konnte ich die Maschine anpassen, Einzelteile umbauen, neu verschweißen. Normalerweise machen Forscher das nicht, dazu brauchen sie Techniker. Und Techniker wiederum haben wenig Ahnung von Materialforschung.

Blaue Leuchtioden: Eine nobelpreiswürdige Entwicklung.

Es wirkt so, als habe jeder scheinbare Rückschlag Sie am Ende in Wirklichkeit vorangebracht.

Forschung bedeutet immer Rückschlag. Wenn Sie vorankommen wollen, müssen Sie experimentieren. Ich habe mir viel Wissen angelesen, aber ab einem bestimmten Punkt müssen Sie aufhören, zu lesen und selbst kreativ werden. Sie müssen all das ignorieren, was scheinbar feststeht.

So wie die Tatsache, dass Galliumnitrid als Halbleitermaterial von allen Experten verworfen wurde?

Nun, manchmal liegen Forschungspapiere auch falsch. Wer immer nur kopiert, kann keine eigenen Ideen entwickeln. Ich sage: Vertrau deiner eigenen Kreativität! Die Wahrheit liegt in deinen Experimenten.

Sie waren ein Einzelkämpfer, die Entwicklungsabteilung bestand fast nur aus Ihnen – war es auch ein Vorteil, so unabhängig zu sein?

Ja, kurioserweise haben mir später andere Materialentwickler gesagt, ich hätte Glück gehabt. Menschen, die in Abteilungen mit einem Dutzend Forschern gearbeitet haben! Dort schlagen dann aber neun von zehn Leuten vor, lasst uns an Zinkselenid forschen, und die eine kreative Stimme wird überstimmt. Ich konnte selbst entscheiden. Ich war in meiner Firma der Einzige, der das Thema durchdrungen hatte. Verrückte Ideen müssen manchmal von Einzelpersonen kommen.

Was Nakamura hier positiv darstellt, war lange Zeit auch ein erschwerender Faktor für ihn: Das Management wollte mehrfach seine Forschungen stoppen, über lange Zeit hatte er wenig Budget und schlechte Geräte, die er selbst verbesserte. Bei Gehaltserhöhungen wurde er übergangen. Einen Teil seiner Entwicklungen vollbrachte Nakamura entgegen der Anweisung aus der Chefetage.

Sind bei Erfindungen Glück und Zufall immer ein Faktor?

Sie spielen jedenfalls eine Rolle. Menschen haben seit den 1970er Jahren an LEDs geforscht. Es gab Fortschritte, es gab auch Experimente mit Galliumnitrid. Aber für eine wirklich helle Leuchtdiode müssen Sie die elektrische Leitfähigkeit eines Halbleiters verbessern. Sie brauchen negativ und positiv aufgeladenes Material, und lange Zeit dachte man, positives Galliumnitrid sei nicht möglich. Der Werkstoff hatte auch noch andere Schwächen. Nur: Am Ende stellte sich heraus, dass einige dieser Schwächen gar keine Rolle spielen. Dafür war das Potenzial der Lichtausbeute enorm. Die nächste Hürde war dann, Indium-Galliumnitrid von ausreichender Qualität herzustellen, für das blaue Licht. Auch das hielt man so für unmöglich.

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Für Unternehmen ist es sinnvoll, an Produkte zu denken. Wissenschaftler können sich auch erlauben, einfach etwas zum Fortschritt der Menschheit beitragen zu wollen.

Heute arbeiten Sie nicht mehr für ein Unternehmen, sondern seit 1999 für die Universität. Was ist der Unterschied in der Entwicklung?

In einem Unternehmen muss man sich selten um die Finanzierung kümmern. An Universitäten ist das eher eine Herausforderung. Wir haben hier auch eine höhere Fluktuation, Studierende bleiben im Schnitt fünf Jahre. Der Vorteil ist, wir können kreativer, verrückter sein. Bei Unternehmen muss am Ende ein Produkt herauskommen.

Limitiert es Entwicklung, wenn sie an ein Produkt gebunden ist, oder fokussiert es sie auch?

Beides. Für Unternehmen ist es sinnvoll, an Produkte zu denken. Wissenschaftler können sich auch erlauben, einfach etwas zum Fortschritt der Menschheit beitragen zu wollen. Andererseits besteht die Gefahr, dass es bei der Theorie bleibt. Am Ende sind es nämlich die Produkte, die die Menschheit voranbringen.

Welche Themen interessieren Sie derzeit?

Laser sind nach wie vor ein vielschichtiges Feld. Laserdioden können Quantencomputer oder die Nuklearfusion voranbringen. Beides sind spannende Zukunftsthemen. Insgesamt findet sehr viel Fortschritt statt, der Laserdioden und Leuchtdioden nutzt. Denken Sie auch daran, wie wichtig LEDs für das Thema Nachhaltigkeit sind: Wir sparen eine Menge Energie, weil sie mehr Licht produzieren und weniger Wärme.

Was wäre Ihr Ratschlag an künftige Materialentwickler?

Dass sie ab einem gewissen Punkt Risiken eingehen müssen. Wenn man die Grundlagen gemeistert hat, kommt es auf die kreative Umsetzung an.


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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