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Dunkles Dinkelbrot auf einem Schneidebrett

Butter und Bytes, Milch und Mail

Dinkelbäcker Stefan Dümig besitzt drei Filialen in der Nähe von München. Zu klein für Automatisierung und Digitalisierung? Im Gegenteil, findet Dümig. Er ist ständig auf der Suche nach der besseren Maschine, dem effizienteren Arbeitsschritt. Aktuell baut er den Onlinehandel aus.

Es riecht nach Gewürzen und Früchten in der Vorratskammer, in der Stefan Dümig vor dem großen Computerdisplay steht und die Zutatenliste studiert. Das Display der Waage schaltet für jede Zutat erst dann auf Grün, wenn die korrekte Grammzahl erreicht ist. „Früher haben die Bäcker mit Gefühl und Erfahrung gearbeitet“, sagt Dümig. „Mal hatte man ein gutes Gefühl, mal ein schlechtes.“ Im schlechtesten Fall ging der Teig nicht richtig auf, oder das Endprodukt schmeckte einfach nicht. „Ich will Präzision“, so Dümig.

Steuert sich selbst: Sein Rührgerät läuft mit digitaler Stoppuhr und hält die exakten Zeiten ein.

Die Bäckerei Dümig ist kein Großbetrieb. Das Haus in Haar bei München ist dasselbe, in dem schon der Großvater Brot herstellte. Die Fensterläden sind gelb gestrichen, es gibt vorne eine Verkaufstheke, ein paar runde Tische zum Frühstücken. Die Kellerräume aber stehen voller Maschinen, wie man sie ansonsten nur in industriellen Bäckereien findet – so wie die digitalisierte Großwaage oder ein Rührgerät, das automatisch die korrekten Knetzeiten einhält. Schon in den neunziger Jahren legte sich Dümig eine computergesteuerte Fritteuse zu, mit der er seine Krapfen automatisch wenden konnte. „Meine Kollegen haben mich damals ausgelacht“, erzählt er. Tatsächlich machte die Maschine anfangs auch Fehler, halbierte die Krapfen beim Wenden. Dümig blieb hartnäckig. Heute hilft ihm die fünfte Fritteusengeneration maßgeblich dabei, sein 37 Sorten umfassendes Krapfensortiment zu backen – von „Mango-Cheesecake“ bis „Erdbeer-Mascarpone“.

Dümig hat die Statur eines Triathleten, weißblonde, kurze Haare und scheint jede Sekunde vor Ideen zu sprühen. Egal ob es um Produktionsschritte oder Rezeptideen geht – der Bäcker überlegt ständig, was er noch verbessern oder Neues erfinden könnte. Zu seinen fantasievollen Krapfenkreationen gesellen sich unter anderem baguetteartige Weißbrote, sogenannte Seelen, in Geschmacksrichtungen wie Gorgonzola-Feige oder Spinat-Feta. Dümig liebt sein Handwerk.

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DIE MASCHINEN NEHMEN UNS UNGELIEBTE ARBEIT AB.

Oft ist man zu früh mit einer Idee

Sein Interesse an Computern und Maschinen ist für ihn kein Widerspruch: „Im Gegenteil, dank der digitalisierten Waage und meiner Software im Büro kann ich leichter neue Rezepte entwerfen.“ Wenn er Glück habe, gelinge ihm eine neue Kreation gleich beim ersten Versuch. Am liebsten wäre ihm ja eine direkte Schnittstelle vom Büro zur Waage, fügt Dümig an. Dann könnte er die Aufträge für den nächsten Tag digital einplanen. Im Verkaufsraum hängen Bildschirme mit Filmen aus der Backstube, die Kunden haben WLAN, Dümig ist in den sozialen Medien aktiv – und er entwickelt derzeit seine eigene App, damit die Kunden mit ihren Smartphones Bonuspunkte sammeln und bezahlen können. Viele andere deutsche Bäckereibetriebe vergleichbarer Größe bieten auch 2019 nicht einmal die Möglichkeit an, mit Karte zu bezahlen.

Credo der Angestellten: Die handwerkliche Qualität steigern und dabei wenig Fehler machen.

Vielleicht ist der Dinkel schuld an Dümigs Experimentiergeist. Nachdem Dümig 1989 die Bäckerei von seinem Vater übernommen hatte, entschied er sich bald danach, auf Dinkelmehl zu setzen. Er hatte den Ehrgeiz, möglichst viel Gebäck aus Dinkel statt aus Weizen herzustellen. Dinkel muss anders verarbeitet werden, aber es gab fast kein Rezept, an dem Dümig sich orientieren konnte – also war er gezwungen, alles selbst zu entwickeln. Zweifellos probiert Dümig generell gerne Dinge aus. Er experimentierte bereits mit der heute in Deutschland flächendeckend verbreiteten Bio-Idee, als es noch nicht überall möglich war, an Bio-Butter zu kommen. Heute gibt es keinen Bäcker mehr, der nicht mindestens ein Brot mit Zutaten aus ökologischer Landwirtschaft anbietet. Vor elf Jahren startete Dümig auch seinen ersten Onlineshop, den er dann wieder schloss. „Oft ist man zu früh mit einer Idee, aber man sammelt hilfreiche Erfahrungen“, sagt er.

Qualität heben, Fehler vermeiden

Nichts von alledem ist für Dümig allerdings eine Spielerei. Der Inhaber des Familienbetriebs kalkuliert wirtschaftlich und hat unlängst seine dritte Filiale eröffnet. 55 Mitarbeiter beschäftigt Dümig, und seine Liebe zur Automatisierung bedeutet auch nicht, dass er von menschenleeren Produktionshallen schwärmt. „Die Maschinen nehmen uns ungeliebte Arbeit ab“, sagt er. „Ich möchte die handwerkliche Qualität steigern und ich will weniger Fehler machen.“ Backen, das sei trotz maschineller Hilfe Handarbeit und Kreativität.

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Dinkel

Früher in Europa weit verbreitet, wurde der Dinkel im Zuge der Industrialisierung flächendeckend durch Weizen ersetzt, der einen höheren Ertrag bietet. Dinkel ist durch seine Spelzen robuster, benötigt deswegen aber auch eine längere Verarbeitung. Aus Sicht von Bäckern wie Dümig ein Vorteil für die Ernährung: Inhaltsstoffe wie Enzyme und Gluten seien dadurch weniger aggressiv, sagt er. Heute ist Dinkel wieder etwas weiter verbreitet, Hauptanbaugebiete sind Süddeutschland, die Schweiz, Belgien oder Finnland. In die USA fand der Dinkel erst 1890 und wurde später fast gänzlich durch Weizen ersetzt. Auch hier bringt ihn die Organic- Farm-Bewegung langsam zurück.

Selbstverständlich bedeute eine neue Maschine auch manchmal Stress für die Mitarbeiter: Manchmal läuft es anfangs nicht reibungslos, plötzlich kostet das neue Gerät mehr Aufwand und Zeit, als dass es die Arbeit erleichtert. So war es zum Beispiel bei der Maschine, die Dümig zur automatisierten Herstellung von weichen Teigwaren wie Baguette nutzt, und in die er eine Viertelmillion Euro investiert hatte. „Da habe ich Druck gemacht, dass es funktioniert, und die Mitarbeiter waren angefressen“, erzählt Dümig. Heute wolle kein Mitarbeiter die Maschine mehr missen: „Sie arbeitet exakt, sie verarbeitet schonend, und wir haben keine Teigreste mehr.“

Ähnlich war es bei der automatischen Teigausrollmaschine für Butterteig, die Dümig schon seit 24 Jahren besitzt. „In Bäckereien meiner Größe hatte das niemand“, erzählt er. „Die hat mir richtig viel Geld eingespielt.“ Wenn ein Teig 27 Mal gefaltet werden muss, komme man mit dem Zählen schon mal durcheinander, sagt Dümig. Die Maschine aber nicht. Auch die vielen Gebäckkreationen folgten wirtschaftlichen Überlegungen, betont der Bäcker und wirft dann kurz ein, dass es übrigens noch gar kein Brot mit Zitronengras und Glasnudeln gibt. Müsste man mal probieren. „Selbst wenn eine Idee zu ausgefallen ist und nicht funktioniert: Die Kunden haben mindestens einmal probiert, sie sind neugierig geworden, sie kommen wieder, weil sie überrascht werden wollen“, sagt Dümig.

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BACKEN IST TROTZ MASCHINELLER HILFE kreative HANDARBEIT.

Automatisierung: Stefan Dümig begann bereits Anfang der 90er, nach hilfreichen Maschinen zu suchen. „Ich will Präzision“, sagt er.

„Es ist die einzige Chance“

Aktuell kümmert sich der Bäcker um die dritte Auflage seines Onlineshops. Diesmal mit Erfolg: Die Wachstumszahlen seien gut, fast schon zu gut, sagt Dümig. Er hat noch nicht einmal Werbung geschaltet. Unangenehm wäre ihm, wenn ihn die Bestellungen plötzlich überrollen würden und er nicht liefern könnte. Ausführlich tüftelt Dümig daran, wie er sinnvoll Gebäck durch die Republik schicken kann und es trotzdem frisch ankommt. „Wir backen einige Sachen halb an und verpacken sie direkt heiß, damit sind sie sterilisiert.“ Die Kunden müssen zu Hause nur noch nachbacken.

Dazu gehört auch, dass Dümig beispielsweise für die Brezeln zum Versand ein besonderes Salz organisiert hat, das sich nicht durch die Feuchtigkeit auflöst. Man spürt: Dem Zufall überlässt dieser Mann wenig. Trotzdem ist auch er ein wenig überrascht über den Erfolg. Dass Allergiker oder Dinkelliebhaber deutschlandweit seinen Onlinevertrieb nutzen, leuchtet noch ein. Aber warum bestellen Kunden aus Norddeutschland Franzbrötchen bei einem Münchner Bäcker? Dümig grinst: „Als Bäcker brauchst du die Art von Kunden, die an fünf anderen Kollegen vorbeifahren, um bei dir einzukaufen.“ Ist das eine Chance für kleine Betriebe wie ihn, gegen Großbäckereien zu bestehen? „Es ist die einzige Chance“, sagt Dümig.

„Du musst eine Marke aufbauen. Deine Nische finden, innovativ sein.“ Dümig hat keine Angst vor großen Namen. Er führte über ein Jahr einen Prozess, um durchzusetzen, dass er seine Feta-Spinat-Seele „Popeye“ nennen darf – und gewann vor Gericht gegen einen US-Konzern, der sich pro forma die Rechte gesichert hatte. Warum so wenige Bäckermeister die Flucht nach vorne antreten und Zukunftsthemen wie die Digitalisierung als Chance betrachten – Dümig weiß es nicht: „Ich frage mich schon manchmal, warum nicht viel mehr andere nachziehen, wir beweisen ja, dass es funktionieren kann.“ Dümigs Arbeitstag endet gegen Mittag. Zeit zum Schlafengehen für ihn, bevor es am Abend weitergeht. Bäcker, das sei nach wie vor ein harter Beruf mit anspruchsvollen Arbeitszeiten, für den es immer schwieriger wird, Nachwuchs zu finden. Auch unter diesem Gesichtspunkt sieht er den Onlinehandel als langfristig sinnvolle Investition. „Ich habe meinen Kindern gesagt, wenn ihr später keine Lust mehr habt, dann verkauft ihr nur noch online, dann könnt ihr morgens bis 7 Uhr ausschlafen.“

Auf dem Weg vom automatisierten Rührgerät zurück ins Büro erzählt Dümig noch, dass er gerne einen Roboter in der Backstube einsetzen würde, aber dafür sei der Raum leider zu klein. Dabei kommt er an einem gusseisernen Ofen vorbei, einem Monstrum von Gerät, das noch aufwendig mit Holz befeuert wird. „An dem ist gar nichts digital“, sagt er augenzwinkernd. Ein Andenken? „Ach was, nein!“, wehrt er ab. „Den nutze ich für unseren Urlaib aus Natursauerteig.“ Ein vier Kilo schweres Brot aus Roggen und Dinkel. Dümig überlegt kurz. „Ich wüsste nicht, wie ich das besser machen sollte“, sagt er dann.


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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