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Nahaufnahme mehrerer Hände die eine Operation durchführen. Copyright: Universitätsklinikum Heidelberg

„Tupfer bitte, Doktor Roboter!“

Können Roboter präzisere Schnitte setzen als menschliche Chirurgen? Theoretisch ja. Trotzdem werden wir bis auf Weiteres nicht von autonomen Maschinen operiert. Medizin-Roboter sind aber längst präsent im OP-Saal – und vielleicht demnächst in unserer Blutbahn.

Bereits Anfang der 1990er Jahre arbeitete erstmals ein Roboter im OP-Saal. Das System „Robodoc“ sollte die Chirurgie revolutionieren. Es war in der Lage, Knochen präziser und gleichmäßiger zu fräsen als die menschliche Hand. Wichtig zum Beispiel bei der Implantation künstlicher Hüftgelenke. Je exakter der Schnitt, desto passgenauer sitzt die Prothese – desto schneller und besser ist sie später belastbar. Robodoc basierte auf einem eigens angepassten Industrieroboter.

„Das war auch wirklich sehr präzise“, sagt Dr. Beat Müller, Leiter der Sektion für minimalinvasive Chirurgie und roboterassistierte Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg. Was damals erst verspätet auffiel: „Der Roboter hat vereinzelt auch die Muskulatur weggefräst“, fasst es Müller zusammen. Und selbst bei den Knochen konnte es zu Abweichungen kommen, die ein menschlicher Chirurg vermutlich im Laufe der OP bemerkt hätte – der Roboter aber nicht. Ein „Lehrstück deutscher Medizingeschichte“ nannte es 2009 in der Rückschau das deutsche Magazin Der Spiegel. Und meinte damit: Der Glaube an den Segen moderner Technik habe damals manchen Arzt und auch Patienten geblendet. Vielleicht kam er einfach zu früh.

Rund 30 Jahre später arbeiten mehr und mehr Roboter in den OP-Sälen. Sie heißen anders und sehen anders aus. Müller begrüßt die Robotik. Er ist außerdem ein Anhänger der sogenannten „minimalinvasiven Chirurgie“, einer Chirurgie, die so wenig Gewebe wie möglich verletzen will. Das erfordert eine andere Herangehensweise und wurde vor 30 Jahren ebenfalls skeptisch beäugt. Vielleicht ist Müller deswegen gegenüber Innovationen so aufgeschlossen: „Ich wollte immer das Neue ausprobieren, ich habe damit gute Erfahrungen gemacht.“ Die moderne Generation an OP-Robotern vereint beides: Ärzte können mit Roboterunterstützung leichter minimalinvasiv operieren.

Müller stellt allerdings direkt klar, dass es sich bei den maschinellen Helfern nicht um autonom agierende Roboter handelt. Das „Da-Vinci-System“, der heute am häufigsten installierte OP-Roboter (etwa 5.000 Exemplare weltweit), ist unter dem Strich nichts anderes als ein verlängerter Arm des Chirurgen. „Er macht nichts, was der Arzt nicht macht“, sagt Müller. Nur dass der Arzt eben nicht mehr direkt neben dem Patienten steht, sondern an einem Display sitzt und dort mit einem Hebel die Operation steuert. „Das ist ergonomisch besser, und man hat gewissermaßen ein Mikroskop im Bauch des Patienten“, beschreibt es Müller. Damit sind Schnitte möglich, die eine menschliche Hand in dieser Präzision wohl kaum leisten könnte.

„Es ist wie ein Mikroskop im Bauch des Patienten“: Das Da-Vinci-System lässt sich aus der Ferne steuern. © Universitätsklinikum Heidelberg

Echte Automatisierung im Operationssaal ist insofern knifflig, als dass der menschliche Körper sehr komplex ist, vor allem was weiches Gewebe angeht – wie der „Robodoc“ eindrücklich bewiesen hat. „Dort, wo er wirklich stabil ist, ließe sich leichter automatisieren“, sagt Müller. Bei einer Biopsie durch die Schädeldecke zum Beispiel. Er weiß aber auch von erfolgversprechenden Forschungsprojekten für automatisiert gesetzte Darmnähte und autonome Kameraführung in der minimalinvasiven Chirurgie. Attraktiv ist robotergestützte Medizin auf jeden Fall – allerdings auch teuer. „Ich habe das lange Zeit unterschätzt; der Markt ist zu klein, also ist er für Entwickler weniger attraktiv als Roboter im Konsumentenbereich“, hat der Chirurg festgestellt.

Dennoch kommt Bewegung in die Branche. Dabei müssen Medizinroboter noch nicht einmal Arme haben oder Skalpelle führen. Im Mai 2020 veröffentlichte ein Team des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) einen Bericht über Mikroroboter von der Größe eines weißen Blutkörperchens. Der kugelförmige Roboter könnte so ins Blut eingeschleust werden und dort Medikamente genau an der Stelle abgeben, wo sie gebraucht werden. Der Mikroroboter kann sich aktiv gegen den Blutkreislauf bewegen und navigieren. „Unsere Roboter können selbstständig interessante Zellen erkennen, beispielsweise Krebszellen“, sagt Yunus Alapan, Post-Doc in der Abteilung für Physische Intelligenz. „Und sie können Wirkstoffmoleküle während der Fahrt freisetzen.“

Allerdings: Von Tests in menschlichen Körpern sind diese Mikroroboter derzeit weit entfernt. Und für eine sinnvolle Medizinabgabe müssten ganze Schwärme zum Einsatz kommen. Forscher der Schweizer ETH Zürich stellten im November 2020 ein Konzept für „Mikrovehikel“ vor, das in eine ähnliche Richtung geht. Hier handelt es sich aber ebenfalls noch um Materialexperimente.

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Prof. Dr. med. Beat Müller

Porträt von Prof. Dr. med. Beat Müller im OP-Kittel im OP-Saal.

Beat Müller absolvierte 1997 seine Approbation in Zürich und wechselte neun Jahre später an das Universitätsklinikum Heidelberg. Seit Anfang seiner Karriere interessiert er sich für die minimalinvasive Chirurgie.

Seit 2010 leitet er in Heidelberg die „Sektion für Minimal Invasive und Roboter-assistierte Chirurgie“, die unter ihm mit „Exzellenzstatus“ ausgezeichnet wurde.

„Mein Fokus war immer, Herangehensweisen weiterzuentwickeln“, sagt Dr. Beat Müller. Er ist offen für Neues.

Klar ist: Auch außerhalb des Operationssaals werden Roboter in der Medizin künftig relevant und sollen Aufgaben übernehmen: „Roboter-Pflegekräfte“ könnten Patienten überwachen, Blut abnehmen oder bei der Hygiene helfen. Damit hätten die Menschen wieder mehr Zeit für etwas, das sie besser können als Roboter: Kommunikation und menschliche Nähe. 2018 entwickelte die amerikanische Rutgers University aus New Jersey den Prototyp eines Roboters, der Blut abnehmen und sogar direkt analysieren kann. „Jedes Jahr wird allein in den USA zwei Milliarden Mal Blut abgenommen“, erklärte Projektleiter Martin Yarmush dem Smithsonian Magazine.

Minimalinvasiv operieren: Viele Chirurgen scheuen den Aufwand. Roboterunterstützung erleichtert den Schritt erheblich. © Universitätsklinikum Heidelberg

Seit 2017 testet der britische National Health Service (NHS) mit intelligenten Chatbots, bei denen künstliche Intelligenz helfen soll, Ärzte bei Konsultationen zu entlasten. Bei all diesen Einsatzfeldern ist die Logik die gleiche: Roboter können repetitive Aufgaben übernehmen, damit das Personal mehr Freiraum für jene Aufgaben hat, bei denen menschliche Intelligenz und Intuition gefragt sind. Denn bei Patientenfragen geht es oft um wiederkehrende Themen – idealerweise hätten die Ärzte also mehr Zeit für ausführliche Diagnosen oder Gespräche. „Hausroboter“ könnten in Zukunft kranke Menschen zu Hause begleiten und im Notfall Alarm schlagen – und so Krankenhäuser entlasten oder Älteren ein längeres Leben zu Hause ermöglichen. Für viele dieser Visionen sind entsprechende Prototypen längst entwickelt.

Chirurg Beat Müller in Heidelberg verfolgt interessiert die Innovationen rund um die Robotik. „Der Roboter nimmt dem Chirurgen nicht die Arbeit weg, sondern er macht ihn besser“, sagt Müller. „Ich empfinde das als eine sehr charmante Vision.“ Er hat auch nicht das Gefühl, dass Patienten von operierenden Robotern eingeschüchtert seien – eher im Gegenteil. „Roboter sind präziser als der Mensch, werden gesteuert durch Menschen, und der Mensch kann seine Flexibilität beisteuern, auf unterschiedliche Situationen zu reagieren“, fasst es Müller zusammen. Entscheidend sei eben, dass die Patienten verstehen, was genau der Roboter im Operationssaal macht. „Man darf nicht das Bild entstehen lassen, dass der Roboter Unfug mit den Patienten treibt, ohne dass es jemand merkt.“


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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